03.01.1990. Als Studenten an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst waren wir natürlich mit an den Geschehnissen des Herbstes 89 beteiligt. Gleichgültig ob es sich um den Bau einer Installation gegen das Verbot des „Sputnik“, die Vervielfältigung von Papieren des „Neuen ­Forums“ oder die Teilnahme an Montagsdemonstrationen handelte. Dabei mag verwundern, dass wir zum einen, trotz der Wirrnisse, ziemlich unbeirrt an unseren, zumeist selbstgesetzten, Studienzielen festhielten und zum anderen, dass wir uns demonstrativ aus den zahlreichen Unternehmungen der Demofotos heraushielten, die allerorten bunteste Blüten trieben. Die Ereignisse beinahe ignorierend, reisten wir gemeinsam zum Zeitpunkt der größten Euphorie in die tiefste Abgeschiedenheit der Wische und fotografierten mit unseren schwerfälligen Kameras Landschaften und kleinstädtische Strukturen. Vielleicht schon im Unterbewusstsein, das mit der sich ankündigenden Veränderung viel mit unserer Arbeit zu dokumentieren sein würde. In Vorbereitung zum Aufbau einer geplanten Ausstellung der Leipziger Schule im Künstlerbahnhof Westend und in der Hochschule der Künste ergab sich erst in den ersten Januartagen des ­Jahres 1990 für mich die Gelegenheit eines längeren Aufenthaltes in Westberlin. Leichter Schnee legt sich über das Niemandsland des ehemaligen Grenzstreifens und trübt den ­weiten Blick. Auf stählernen Stützen führt die S-Bahn-Trasse mit leichtem Schwung durch die ­Szenerie. Im davor liegenden Stahlzaun ist ein Feld entfernt. Links führt die schon sichtlich von Mauerspechten angeschlagene Berliner Mauer den Blick weiter auf zwei Figuren, die klein und nur mit dem Rücken zu sehen sind und die aus dem Bild zu entschwinden scheinen. Die Spuren im frischen Schnee sind nicht von Dauer. Ein Bild, das erstmals zum Durchgang am Ende des Grundlagenstudiums 1990 für mich zum präzisen Spiegelbild meiner damaligen Stimmung wurde.
TitelBerlin, am Gleisdreieck
Künstler*inThomas Wolf
SammlungEast for the record
Entstehungszeit1989
Beschreibung03.01.1990. Als Studenten an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst waren wir natürlich mit an den Geschehnissen des Herbstes 89 beteiligt. Gleichgültig ob es sich um den Bau einer Installation gegen das Verbot des „Sputnik“, die Vervielfältigung von Papieren des „Neuen ­Forums“ oder die Teilnahme an Montagsdemonstrationen handelte. Dabei mag verwundern, dass wir zum einen, trotz der Wirrnisse, ziemlich unbeirrt an unseren, zumeist selbstgesetzten, Studienzielen festhielten und zum anderen, dass wir uns demonstrativ aus den zahlreichen Unternehmungen der Demofotos heraushielten, die allerorten bunteste Blüten trieben. Die Ereignisse beinahe ignorierend, reisten wir gemeinsam zum Zeitpunkt der größten Euphorie in die tiefste Abgeschiedenheit der Wische und fotografierten mit unseren schwerfälligen Kameras Landschaften und kleinstädtische Strukturen. Vielleicht schon im Unterbewusstsein, das mit der sich ankündigenden Veränderung viel mit unserer Arbeit zu dokumentieren sein würde. In Vorbereitung zum Aufbau einer geplanten Ausstellung der Leipziger Schule im Künstlerbahnhof Westend und in der Hochschule der Künste ergab sich erst in den ersten Januartagen des ­Jahres 1990 für mich die Gelegenheit eines längeren Aufenthaltes in Westberlin. Leichter Schnee legt sich über das Niemandsland des ehemaligen Grenzstreifens und trübt den ­weiten Blick. Auf stählernen Stützen führt die S-Bahn-Trasse mit leichtem Schwung durch die ­Szenerie. Im davor liegenden Stahlzaun ist ein Feld entfernt. Links führt die schon sichtlich von Mauerspechten angeschlagene Berliner Mauer den Blick weiter auf zwei Figuren, die klein und nur mit dem Rücken zu sehen sind und die aus dem Bild zu entschwinden scheinen. Die Spuren im frischen Schnee sind nicht von Dauer. Ein Bild, das erstmals zum Durchgang am Ende des Grundlagenstudiums 1990 für mich zum präzisen Spiegelbild meiner damaligen Stimmung wurde.